| KFC: "Knülle im Politbüro“ LP
1981/Schallmauer SCHALL007
Knülle im Politbüro/Gratissex/Tanz und Geschrei/Flamme
empor/Nachts scheint die Sonne/Katz und Maus/Mehr Ordnung/Etwas ist geschehen/Das
Klokind/Im Frühling an der Wolga (mit dem Don Kannaken Chor)/Regardez
Moi/Der goldenen Schlagring/Sag es nie zu laut/Der Mond zeigt mir den
Weg
+Textinnenhülle
"Neues und Böses über Düsseldorf. [...] Kommen
wir also gleich zu einem ande-psychatrischen Fall, seinem Intimfeind Tommi
Stumpf vom KFC. Während die geistigen Störungen bei Nichts-Mitgliedern
für den geübten Beobachter nicht sofort zu erkennen sind, wird
der Mann von der Straße Tommi sicher sofort als Pflegefall einstufen.
Bester Beweis: die neue KFC-LP Knülle im Politbüro. Auf der
ersten (schon ziemlich peinlichen) KFC-LP hörst du noch Mickis typische
Nichts-Gitarre. Die spärlichen Idenn dieser Platte findest du jetzt
bei Nichts. Und Tommi steht mit leeren Händen da. Denn seine neue
Platte bringt nur inhaltlosen, abgedroschenen KFC-Pogo-Aufguß (der
schon 1977 peinlich gewesen wäre). Motörhead-Fan Tommi wollte
Krach/Lärm für die Heavy-Metal-Kids und hat nur Langeweile für
stumpfe Punks und Künstler fertiggebracht. Bei den Texten zu BILD-Themen
ist der Bunuel-Verehrer mit ihm durchgegangen: ‚Töte deinen
Nachbarn aus reiner Sensation, es steht in deinem Horoskop‘ oder
‚Die Würmer fressen es an, das Fernsehen ist dabei, für
Millionen ein Vergnügen, liebe das Kind aus den Trümmern, das
Klokind ist verschüttet‘ (über das Kind, das in Italien
in einen Brunnen gefallen ist). Wenn du es liest, ist es ja manchmal noch
pervers-komisch, aber sein selbstquälerisches Badewannengesinge treibt
dich ausdem Zimmer. Besonders peinlich: ‚Der Ring, der goldene Schlagring,
das ist der Preis, das ist der Pfand, für meinen eigenen Wahnsinn,
für meinen Verstand.‘ Und zu Skinhead-OiOiOi die KFC-Alkoholiker-Ideologie
‚Trink Genosse trink, denk Genosse denk, Qualität ist qualität,
zum Saufen ist es nie zu spät‘ (bei den Plattenaufnahmen haben
Tommi und Bassist Ferdi in zehn Tagen zehn Kästen Bier ausgesoffen).
Doch neben 11mal Schrott gibt es tatsächlich noch drei brauchbare/gute
Stücke: ‚Nachts scheint die Sonne‘ (mit geklautem Gitarrenohrwurm
und leider Hippie-Saxofonphrasen). ‚Katz und Maus‘ (die Rock’n’Roll-Fassung
des Märchens ‚Des Kaisers neue Kleider‘) und am besten
‚Der Mond zeigt mir den Weg‘ (ein Barstück mit Kontrabaß,
Blech-Schepper-Gitarre und Sprechgesang). Endlich mal kein überdrehtes
Gesangs-Gekrächze/Gegrunze. Was auf der Platte so traurig/peinlich
ist, wird optisch hoffentlich noch einigermaßen amüsant: der
besoffene KFC in Russenuniformen und Unterhosen auf dem cover oder der
geplante, völlig lächerliche Videofilm zur LP. Als nächstes
plant Tommi jedenfalls eine Solokarriere mit ‚kompromißlosem‘
Synthesizer/Sequenzer-Rhythmusgedröhn. Aber all seine großartigen
Ankündigungen haben sich noch immer alsharmlos herausgestellt. Was
ist mit seinem alten Plan, mit Bruder Tim Martini mit Gasmasken aufzutreten
und Tränengas ins Publikum zu schießen? Tommi scheint sich
mehr darauf zu verlegen, sich überall lächerlich zu machen (was
er will!). Ist jetzt Harald Juhnke sein Vorbild? Der Alkohol sein letzter
Freund? Vielleicht kannst du ihn mal rettungslos besoffen in der Düsseldorfer
Altstadt im Rinnstein liegen sehen. Sonst ist er (vergeblich) mit seiner
Karriere beschäftigt, schaut Fernsehen, wohnt im dreck und liest
die Boulevard- und Comicpresse, oder fährt zum Beispiel nach bonn
zur Friedensdemonstration. (Er ist zwar für Atomwaffen und den Untergang,
kann aber die Amis nicht ausstehen). Oder er erzählt zum tausendstenmal,
daß er impotent ist (was deshalb schon keiner mehr glauben will).
Nicht gerade das, was wir uns vom Leben erträumen. Oder was Tommis
Talent (auch von mir überschätzt!) als leicht verrückter,
exzentrischer Entertianer retten könnte. [...]" (Kid P., Sounds
Nr.1/Januar 1982)
"Von den schnellen, harten, vertretbaren Rockbands in der BRD
ist der KFC noch immer die härteste, schnellste, vertretbarste. Man
muß schon ein alter abgewixter Lemur vom Kaliber eines Kitt Bäh
sein, um Tommi Stumpfs Texte ‚Inhaltlos‘ zu finden. (Klar, wer
wie besagter schreibender Skarabäus seine chronische Vorhautsverengung
– nachdem Scheren und Fahrtenmesser versagt haben – mit pickligen
Teenager-Sex-Fantasien und deren zweidimensionalen Entsprechungen zu kurieren
versucht, Penthouse-Gebärmutter-Shows allmoantlich aufsaugt und aufgrund
körperhaltungsbedingter Gallenschäden nur noch Lebertran schlürfen
kann, ist mit dieser Platte in der Tat schlecht beraten.) Immerhin, für
den jungen, bewegungssüchtigen Menschen, der bisher den Zugang zur
schwarzen Musik noch nicht finden konnte, bietet sich eine ganze Reihe
spritziger Ideen: Markante Gitarrenlinien von Tommi S., knarrende Baßkürzel
von Ferdi Mackenthun und differenziert-inspiriertes, manchmal wuchtig-tribales
Schlagzeugspiel von Rainer Mackenthun. Es kann, es darf niemals darum
gehen, ob irgendeine – naturgemäß von einem speziellen
Rhythmus bestimmte – Stilrichtung ‚in‘ oder ‚out‘
ist. Gutes ist immer gut. Nicht nur, wenn es gerade mit dem herrschenden
Trend zusammenfällt. Auch Funk ist keine Erfindung des letzten Jahres.
Es gab immer Funkgruppen, es gab immer gute Funkgruppen. Die meisten SOUNDS-Leser
haben sich halt 76-79 dafür nicht interessiert. Andersrum ist der
Pogo mit den momentanen Siegeszügen von Funk, Elektronik, DAF-Teutonik,
Jazz oder weiß der Kuckuck was nicht gestorben. Hierbei geht es
auch nicht um die Unterstüzung konservativer Gruppierungen, wie der
‚Punk’s Not dead‘-Bewegung, sondern um die Klarstellung,
daß Pogo als Ausdrucksmittel weißer Jungmänner durchaus
interessant sein kann. Tommis Texte sind reifer, runder, die Musik klarer
geworden, was zum teilweisen Verlust des von vielen auf der ersten LP
geschätzten Pop-Einschlags geführt hat. Möglicherweise
kann das seinerzeitige KFC-Publikum mit den Ansprüchen der neuen
Texte nicht mehr Schritt halten, vielleicht hätte der KFC mehr Stücke
wie ‚Der Mond zeigt mir den Weg‘, ‚Nachts scheint die Sonne‘
oder ‚Katz und Maus‘ bringen sollen, um den Rattenschwanz der
eingefahrenen Deutsch-Pop-Freunde ins neue Jahr mitzuziehen. Daß
er es nicht getan hat, spricht andererseits für die konzeptionelle
Konsequenz von Stumpf & Co. All jenen, die in dieser Platte nur den
Abklatsch einer frühen Idee zu erkennen glauben und das avantgardistische
Moment vermissen, unterstelle ich die Unfähigkeit zum Übersetzen
dieses Wortes. Die klare Gitarrenmusik des KFC schreitet ebenfalls fort,
allerdings nicht innerhalb des Mainstream nichtssagender deutscher Kraut-Pop-Elaborate.
‚Des Kaisers neue Kleider, die erkennt keiner – leider‘
(‚Katz und Maus‘). Wohlgemerkt, Oi!-Oi!-Oi!-Schlachtgesänge
wie ‚Knülle im Politbüro‘ überspringe ich meistens
auch, aber ein Stück wie ‚Flamme empor‘ bringt im Zusammenhang
mit Tommis Versen ein spezielles Lebens- und Erlebensgefühl von Kraft,
Energie rüber, das derzeit mit anderem musikalischen Methoden in
dieser Form schwer zu vermitteln wäre. Eingreifen heißt ordnen.
Der KFC behält sich dieses Recht weiterhin vor." (Xao Seffcheque,
O.R.A.V., Sounds Nr.2/Februar 1982)
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